Sonntag, 12. Oktober 2014

A Dream within a Dream - Lord Dunsany "Das Land des Yann"

"All that we see or seem, is but a dream within a dream..." heißt es in einem berühmten 1849 veröffentlichten Gedicht von Edgar Allan Poe. Und wie in einer Traumwelt gefangen, so fühlt sich auch der Leser der Geschichten von Lord Dunsany, dem irischen Schriftsteller phantastischer Literatur, Edward John Moreton Drax Plunkett, 18. Baron of Dunsany. Wie schon so oft bei meinen Buchbesprechungen, so ist auch dieser Stoff nur bedingt geeignet für den Durchschnittsleser, da auch die in der Übersetzung vorliegende Sprache reichlich pittoresk und antiquiert daherkommt.
"Ich schreibe niemals über Dinge, die ich gesehen habe, nur über die, von denen ich geträumt habe." (Lord Dunsany, 1878-1957)
Ich bin sicher, dass nur wenige meiner Leser bislang etwas von Lord Dunsany gehört haben werden, diesem Sproß einer alten und wohlhabenden irischen Adelsfamilie mit seinem berühmten Vorfahren Oliver Plunckett, dem Verteidiger des Katholizismus zur Zeit der Katholikenverfolgung unter Oliver Cromwell, der sogar von der römisch-katholischen Kirche heilig gesprochen wurde. Neben seinen literarischen Ambitionen verfolgte Edward Plunkett eine für seine Klasse eher typische Laufbahn: Eton College, Sandhurst Militärakademie, dann Einsatz im Burenkrieg in Südafrika und im 1. Weltkrieg. Er war ein guter Cricketspieler und hat es laut Wikipedia sogar zum irischen Meister im Pistolenschießen gebracht. Daneben zeichnete er sich auch als ausgezeichneter Schachspieler, Großwildjäger und Exzentriker aus, von dem behauptet wird, er hätte alle seine Werke mit Hilfe einer Gänsefeder geschrieben und der zudem mit William Buttler Yeats einen der bedeutendsten Lyriker des 20. Jahrhunderts zu seinen Bekannten zählte.

Sie sind "anders", intensiv und irgendwie etwas besonderes, die Geschichten von Lord Dunsany. Bereits mit den ersten Sätzen hat man das Gefühl man betritt einen Traum, der einen bis zur letzten Zeile tief in seinen Abgründen gefangen halten wird. So beschreibt die Geschichte "Das Land des Yann", nach der dieser 8. Band der "Bibliothek von Babel" seinen Namen trägt, die abenteuerliche Fahrt auf dem sagenumwobenen Strom Yann mit dem Handelsschiff 'Sturmvogel', in der der Erzähler die Wunder der exotischen Städte und Länder an dessen Ufern bestaunen wird. Aber der Leser fühlt sich wie in einer Art Nebel gefangen. Nichts wird allzu konkret oder detailliert, vieles wird nur angedeutet und man irrt fremdgeleitet durch Dunsanys bizarre und farbenreiche Traumwelt.

Meine Lieblingsgeschichte in diesem Buch ist die Geschichte vom 'Bureau d'exchange de Maux', in der der Erzähler von einem verwunschenen kleinen Geschäft in Paris erzählt, in der man Übel und Leiden aller Art wie in einer Tauschbörse handeln kann. Der fette, alte Ladeninhaber "mit hängenden Backen und verderbten Blick", dem man "jedes Geschäft mit der Hölle hätt' zutrauen mögen" bietet seinen Klienten für nur 20 Francs die Möglichkeit, die eigenen Übel gegen die eines anderen einzutauschen. Hat man einen geeigneten Tauschpartner gefunden, besiegelt man für weitere 50 Francs Maklergebühr das Geschäft und geht wieder seiner Wege. Natürlich wird unser neugierig gewordener Erzähler diese Tauschbörse auch selbst einmal ausprobieren, aber was dabei herauskommt, werde ich hier natürlich nicht verraten.

Dunsany beeinflusste zahlreiche Autoren des 20. Jahrhunderts, allen voran H. P. Lovecraft, Clark Ashton Smith, Arthur C. Clarke, Jorge Luis Borges, aber auch J.R.R. Tolkien oder Filmemacher Guillermo del Torro.

Fazit: Geschichten wie Traumfragmente, vorgetragen in einer blumenreich ausgeschmückten Sprache, aber auf alle Fälle wert, wiederentdeckt zu werden!

Weitere Rezensionen im Biblionomicon zur 'Bibliothek von Babel':