Sonntag, 15. Dezember 2013

Thomas Pynchon: Mason & Dixon

Zugegeben, ich habe diesen voluminösen Band aus der Zeit Edition "Erzählte Wissenschaft" schon im Sommer gelesen, komme aber erst jetzt dazu, darüber zu schreiben. Üblicherweise bin ich einer von denjenigen Lesern, die jedes angefangene Buch auch zu Ende bringen - auch wenn ich mich dabei manchmal "quälen" muss. Dieses Buch aber ist eines der wenigen in den vergangenen Jahren, dass ich trotz aller guter Vorsätze nach gut 600 Seiten mit wachsender Frustration beiseite gelegt habe, so dass es mir jetzt im Regal als "Schandfleck der nicht zu Ende gelesenen Bücher" entgegenstarrt. Stets keimt ein leichtes Grollen verbunden mit einem Stich des schlechten Gewissens in mir auf, wenn ich am Bücherregal vorbeigehe. Dass ich jetzt endlich auch eine Rezension dazu schreibe liegt auch daran, dass ich lange über das Gelesene nachgedacht habe, wobei ich das Buch ursprünglich eigentlich 'unter den Tisch' fallen lassen wollte, was die Rezension hier im Biblionomicon angeht. Aber genug der Vorrede. Worum geht es und warum hat es mir nicht gefallen?

Es handelt sich um einen historischen Roman, in dem Thomas Pynchon die Geschichte des obskuren Gelehrten-Duos des englischen Astronomen Charles Mason und des Landvermessers Jeremiah Dixon erzählt, die jedem Highschool-Kid in den USA ein Begriff sind, da die beiden die Grenze zwischen Nord und Süd, zwischen freiem Norden und dem sklavenhaltenden Süden der USA zogen, die nach ihnen benannte Mason-Dixon-Linie. Thomas Pynchons Buch kommt überaus gelehrt und fundiert recherchiert, wenngleich abstrus verfremdet daher. Da ist der verwitwete und bierernste Assistenz-Astronom des Royal Greenwich Observatoriums Charles Mason und auf der anderen Seite der leutseelige, aber irgendwie verrückte Landvermesser Jeremiah Dixon. Zusammen bilden sie das klassische Duo irgendwo zwischen "Holmes und Watson" und "Laurel und Hardy", mit verstärkter Tendenz zum (Tragi-)Komischen.

Nachdem beide zusammen im Dienste der Royal Society of Astronomers den Venustransit in Cape Town, Südafrika beobachten, erhalten Sie den Auftrag nach Amerika zu reisen, um den Streit um die Grenzlinie zwischen den Territorien Pennsylvania und Maryland durch Neuvermessung zu schlichten. Das Ganze spielt in einer Zeit noch vor der amerikanischen Revolution und den amerikanischen Unabhängigkeitskriegen. Ausgerüstet mit einem vielköpfigen Tross von Lieferanten, Handwerkern und Holzfällern machen sie sich auf den Weg, um in fünf Jahren eine kerzengerade schwarze Linie auf der Landkarte abzuschreiten, die Pennsylvania von Maryland und West Virginia im Süden und senkrecht dazu von Delaware trennt. Entlang des Weges treffen sie auf allerlei seltsame Gestalten. Die Liste reicht von Indianern (logisch) über Koffein-Junkies, jesuitische Kabbalisten, bis hin zu tatsächlich historischen Gestalten wie George Washington und Benjamin Franklin. Erzählt wird die seltsame Geschichte ganz im Stil des 18. Jahrhunderts, aus dem Mund des Reverends Wicks Cherrycoke, ganze 20 Jahre später, der das Ganze im Zuge eines Besuchs in der guten Stube seiner Schwester in Philadelphia seinen Nichten und Neffen erzählt, die zwischendurch alles und jedes kommentieren.

So weit so gut. Das Problem, das ich mit der Geschichte hatte, lag eindeutig am Erzählstil und der Sprache des Übersetzers. Ich bin ja nicht ganz unerfahren in der Lektüre "älterer Literatur". Selbst ein nicht neuübersetzter Grimmelshausen aus dem 17. Jahrhundert schreckt mich nicht ab, aber mit dem vom Übersetzer adaptierten Stil Thomas Pynchons kam ich nicht wirklich gut zurecht. Alles wirkt irgendwie über alle Maßen künstlich, geschraubt und ohne Notwendigkeit verkompliziert. In Kombination mit den schrägen Abenteuern des Komikerduos Mason und Dixon wirkt die Sprache noch seltsamer. Vielleicht war das ja als Verfremdungseffekt beabsichtigt, aber ein Blick in das englischsprachige Original lässt diesen Eindruck nicht aufkommen. Wie man in der Wikipedia nachschlagen kann, stammt die deutsche Übersetzung von Nikolaus Stingl, die 2007 sogar mit dem Paul-Celan-Preis gewürdigt wurde. Auf die Dauer gerieten mir auch die endlos langen Dialoge der beiden Protagonisten zu einer Zumutung. Sind schon Thomas Manns Endlosplaudereien auf den Zauberberg-Spaziergängen nicht jedermanns Sache, so wird es hier tatsächlich noch schlimmer. Mag sein, dass ich das Buch eines Tages einmal wieder in die Hand nehme und meine - dann reifere - Meinung ändere, aber aktuell kann ich niemanden guten Gewissens zu diesem Selbstversuch raten.

Fazit: Historischer Roman über ein gelehrtes Komikerduo, das in endlosen abstrusen Gesprächen die historische Wahrheit verfremdet und den Leser öfters vor den Kopf stößt. Lesen auf eigene Gefahr. Sagt hinterher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt...