Sonntag, 29. November 2009

Die einzige Beständigkeit liegt im Wandel - wie schaffe ich mehr Platz in meinem Bücherregal

Das hier ist also das gute Stück, um das es im heutigen Beitrag geht. Natürlich geht es nicht um das Regal, sondern vielmehr um dessen Inhalt: mehr als 450 antiquarische und z.T. neuwertige (gelesene und auch ungelesene) Bücher, startend mit den ältesten erschienen um 1880 bis hin zu aktuellen Ausgaben. Da der Platz für andere, sich immer noch stapelnde Bücher dringend benötigt wird und da die betreffenden Bücher auch einen gewissen Wert repräsentieren, habe ich mich entschlossen, sie alle (einzeln) bei booklooker.de zum Verkauf anzubieten. Bei den Preisen habe ich mich in der Regel an den günstigsten Angeboten bei ZVAB orientiert und bin meist noch ein Stückchen darunter gegangen.

Und da ich die Bücher auch zügig verkaufen möchte, mache ich hier im biblionomicon ein wenig Werbung dafür, d.h. jeder, der eines der Bücher, die ich bei booklooker eingestellt habe, kaufen möchte, erhält per se schon einmal generelle 10% Rabatt auf den bei booklooker ausgewiesenen Preis (Hinweis bzw. Anfrage via E-Mail reicht aus).

Da man trotz der Größe des Fotos natürlich nicht allzuviel erkennen kann, hier einige thematisch zusammengestellte Angebotslisten aus booklooker:

Samstag, 21. November 2009

Der weite Weg zur Bibliothek 2.0... - Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte'

Bibliotheken haben mich schon immer fasziniert. Angefangen von unserer kleinen Kirchengemeindenbücherei, in der ich bereits als ABC-Schütze zum Stammkunden wurde über diverse Universitätsbibliotheken während des Studiums bis hin zu den klassischen Kathedralen des Wissens. Im Zuge der Recherchen für mein Buch 'Digitale Kommunikation', das sich zum Thema Mediengeschichte auch einen kleinen Abstecher in die Bibliotheksgeschichte leistet, bin ich auch auf Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte' gestoßen.

Bereits 1993 erschien Uwe Jochums 'Kleine Bibliotheksgeschichte', die heute in der 3. verbesserten und erweiterten Auflage vorliegt. In unterhaltsamer Weise führt uns Jochum entlang einer Reise durch mehr als 30.000 Jahre Geschichte. Beginnend mit den ersten Felszeichnungen und den Ursprüngen der Zivilisation, über die Reiche des Altertums hinein ins christliche Mittelalter, weiter zu Renaissance, Barock, Klassik und Moderne. Wir hören von der ersten nachgewiesenen Bibliothek des assyrischen Herrschers Assurbanipal in Ninive aus dem 7. vorchristlichen Jahrhundert mit ihren 5.000 - 10.000 in Keilschrift verfassten Tontafeln. Weiter führt uns Jochum die herausragende Stellung der altägyptischen Schreiber vor Augen und erzählt von der noch viel älteren Bibliothek des Ramesseums, des Grabmals des ägyptischen Pharaos Ramses des Großen, von der wir nur durch den Bericht des römischen Geschichtsschreibers Diodor Siculus wissen, die aber bis heute noch nicht eindeutig lokalisiert werden konnte.

Natürlich wird auch die Geschichte der bedeutendsten Bibliothek des gesamten Altertums erzählt, der großen Bibliothek von Alexandria, über deren Bestände und vor allem über ihren Niedergang sich zahlreiche Legenden ranken. Fakt ist, die alexandrinische Bibliothek hat das Altertum nicht überlebt. Ihre Bestände sind wahrscheinlich durch Brände und Kriege verloren gegangen und nur ein geringer Bestand der Literatur des Altertums konnte durch das beflissentliche Kopieren und Bewahren durch die christlichen Mönchsorden bis in unsere Zeit gerettet werden.

Humanismus und Renaissance bringen die antiken Autoren wieder ans Licht, die barocke "Sammelleidenschaft" lässt zahlreiche großartige Privatbibliotheken entstehen. Insbesondere die Erfindung des Buchdrucks sorgt für eine vormals kaum möglich gehaltene Menge an Büchern und führt geradezu zu einer Explosion der Vielfalt. Wir erleben die ersten Schritte zum Aufbau von Nationalbibliotheken, den Abschied von der Universalbibliothek und den Weg zur öffentlichen Bibliothek. Über das 19. Jahrhundert hinweg führt uns Jochum in das Zeitalter der modernen Informationsverarbeitung hin zu hybriden Bibliotheken und dem World Wide Web.

Wunderbar ist vor allem die knapp 30-Seitige Bibliografie am Ende des Buches und die vielen, im Text vorhandenen bibliografischen Referenzen, die dieses kleine Buch so nützlich machen. Eine nützliche Ergänzung wären noch Fotografien und Illustrationen gewesen, aber diese findet man in Jochums neuer "Geschichte der abendländischen Bibliotheken", die als gebundene Ausgabe gegenüber dem kleinen Reclam-Bändchen natürlich auch entsprechend teurer geraten ist.

Leider sind die aktuellen Themen Web 2.0 in Bibliotheken, Blogs, Wikis, Twitter & Co. noch nicht Bestandteil der 'Bibliotheksgeschichte', so auch nicht in diesem Buch. Dennoch sollte man die Bedeutung dieser neuen informations- und kommunikationstechnischen Möglichkeiten vor allem für die Bibliotheken nicht unterschätzen, sei es zur Informationsweitergabe und Selbstdarstellung, zur Erschließung und Kategorisierung der Bestände, zum Aufbau von und Interaktion in sozialen Netzwerken und darauf basierender, intelligenter Such- und Empfehlungsmechanismen. Es ist eben noch ein weiter Weg, bis dieser Bereich sich etabliert und damit Aufnahme in eine Bibliotheksgeschichte findet. Aber es bleibt ja stets Raum für eine weitere, erweiterte Neuauflage...

Fazit: Auch ohne mein vorhandenes berufliches Interesse kann ich diese kleine Bibliotheksgeschichte reinen Gewissens allen empfehlen, die eine Liebe zu Büchern entwickelt haben und sich über die Ursprünge und Geschichte unserer Lesekultur fundiert, aber doch unterhaltsam informieren wollen.

Links:






Sonntag, 15. November 2009

Und nun einmal etwas ganz anderes... Katharina Hagena 'Der Geschmack von Apfelkernen'

Gab es hier im Blog zuletzt noch Science Fiction Klassiker, Literaturnobelpreisträger und ähnliches, kommt heute einmal etwas ganz anders daher, das sich in meine Leseliste geschlichen hat. Eine Familiengeheimnis-, Lebenskrisen- und Vergangenheitsbewältigungskiste, die aber überrascht und die es verstand, selbst einen Lesesnob wie mich in ihren Bann zu schlagen...und das nicht nur wegen des wunderschönen Einbands.

Die Geschichte an sich ist auf den ersten Blick sogar etwas dünn. Bertha stirbt, und ihre Enkelin Iris erbt das Haus der einst großen Familie irgendwo in einer norddeutschen Kleinstadt, in dem Iris und ihre Cousine Rosemarie ihre Kindertage verbrachten. Das Haus steht inzwischen leer, der Garten ist verwildert, und Iris entschließt sich, für einige Zeit nach der Beerdigung ihrer Großmutter in dem Haus zu bleiben, um zu entscheiden, was sie mit ihrem Erbe anfangen soll. So startet ein Trip in die Vergangenheit der Familie und der Leser wird Zeuge, wie sich Iris' Erinnerungen Bruchstück für Bruchstück mit der noch im dunklen liegenden Geschichte ihrer Großmutter Bertha, ihres Großvaters, ihrer drei Tanten und ihrer Cousine zu einem allmählich sich herausbildenden Ganzen zusammensetzen.

Dabei herrscht eine Art magischer Aura über dem Haus, so dass einschneidende Ereignisse und Gefühlsausbrüche stets mit "kleinen Wundern" einhergehen, bei dem die Apfelblüte zweimal im Jahr kommt, Äpfel über Nacht reif werden oder aus roten Johannisbeeren mit einem Mal Weiße werden, aus denen eine Marmelade mit dem wunderbaren Namen "konservierte Tränen" eingekocht wird. Mehr und mehr Unerwartetes kommt im Laufe der Zeit ans Licht, die Iris in dem alten Haus am Ort ihrer Kindheit verbringt. Genau wie die Großmutter Bertha nach einem Sturz mehr und mehr ihr Gedächtnis verloren hat, kommen Iris die Erinnerungen an ihre Kindheit und an den Unfall ihrer Cousine Rosemarie zurück, hinter dem ein trauriges Geheimnis steckt.
"Schon immer begannen die Bewegungen des Schicksals - auch in unserer Familie - mit einem Sturz. Und mit einem Apfel..."
Bittersüß ist diese nur knapp 250 Seiten kurze Geschichte und Katharina Hagena bietet in ihrem Roman "Der Geschmack von Apfelkernen" ein wahres Feuerwerk an Geruchs-, Geschmacks und anderen Sinneseindrücken, die der geneigte Leser nachempfinden darf. Erinnern und Vergessen sind ein weiteres wichtiges Thema, das sich durch die Geschichte dreier Generationen von Frauen hindurchzieht. Erinnerungen sind immer auch an Sinneseindrücke gebunden. Wir fühlen, hören, sehen, schmecken und riechen die Welt unserer Wahrnehmung und können diese Sinneseindrücke in unserer Erinnerung abrufen. So sind wir in der Lage, uns wieder und wieder in eine längst vergangene Situation hineinzuversetzen. So ist auch dieses Erstlingswerk der Autorin nichts anderes als eine große "Nostalgie", eine manchmal "wehmütige Hinwendung zu vergangenen Zeiten, die in der Erinnerung oftmals idealisiert und verklärt" werden kann.

Fazit: Eine generationenübergreifende, abwechslungsreiche Familiengeschichte, spannend, eindrücklich und bittersüß erzählt. LESEN!

Links:

Freitag, 6. November 2009

Der Name der Rose trifft Mad Max - Walter M. Miller Jr. "Lobgesang auf Leibowitz"

Heiliger Leibowitz, hilf! Sankt Leibowitz könnte -- so er denn existieren würde -- auch recht gut als Apostel für uns Informations- und Wissensarbeiter herhalten. So bildet er den Dreh- und Angelpunkt des stilbildenden, post-apokalyptischen Science Fiction-Klassikers, den ich heute vorstellen möchte. Manch ein Kritiker meint, es würde sich dabei um einen der besten des gesamten Genres handeln...

Die menschliche Zivilisation, wie wir sie kennen, endete im 20. Jahrhundert mit einem verheerenden nuklearen Krieg. Die "Flammenflut" wütete über die Erde und die Überlebenden der Katastrophe wandten sich in ihrem Hass und ihrer Verzweiflung gegen alle Technologie und diejenigen, in denen sie die Helfer und Verantwortlichen dieser Technologie sahen -- und dazu zählten sogar alle diejenigen, die des Lesens und Schreibens mächtig waren. Ein Bilder- und Büchersturm -- die große "Vereinfachung" oder "Simplifikation" -- vernichtete auch noch die letzten Reste der Zivilisation und des technologischen Wissens der Menschheit. Übrig blieben nur noch die "Simpel" ... und ein kleiner albertinischer Mönchsorden, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Reste des menschlichen Wissens, Bücher und technische Papiere zu retten und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Isaac Edward Leibowitz, ursprünglich ein jüdischer Ingenieur, konvertierte nach der "Flammenflut" zum Katholizismus und gründete den später nach ihm benannten "Orden des Leibowitz", dessen Aufgabe darin bestand, die noch übrig gebliebenen Bücher aufzuspüren, an einen sicheren Ort zu schmuggeln, sie auswendig zu lernen und durch Abschreiben vor dem Verfall und dem Vergessen zu bewahren. Auf dieser Grundlage erzählt Walter M. Millers Roman "Lobgesang auf Leibowitz" (Original: A Canticle for Leibowitz) in drei sich über mehr als 1000 Jahre erstreckenden Episoden die Geschichte des Ordens und der neu entstehenden Zivilisation.

Fiat Homo
Die erste Episode spielt etwa 600 Jahre nach der großen Vereinfachung. Bruder Gerard Francis, ein Novize des Ordens des (noch nicht) heiligen Leibowitz, fastet in der Wüste und trifft auf einen seltsamen alten Pilger, mit dessen Hilfe er einen verschütteten Bunker aus der Zeit der Katastrophe entdeckt. Darin finden sich originale Schriftstücke des Ordensgründers, dessen Kanonisierung bereits im Gange ist und die wir mit Bruder Francis miterleben dürfen.

Fiat Lux
Gut 1100 Jahre nach der Katastrophe treffen wir wieder auf den Orden des heiligen Leibowitz. Wie schon seit Jahrhunderten bewahren die Mönche immer noch Fragmente des von ihnen nicht oder nur halbverstandenen technologischen Wissens. Das dunkle Zeitalter geht zu Ende und eine neue Renaissance bricht an. Die Mönche machen erste zaghafte Versuche mit der Entdeckung der Elektrizität und die Stämme und Völkerschaften rund um das Kloster kämpfen um die Hegemonie auf dem amerikanischen Kontinent. Ein (weltlicher) Gelehrter kommt in das Kloster, um die "Memorabilien" des verschollenen Zeitalters zu sichten und ist sichtlich frustriert von der Aussicht eines bloßen "Wiederentdeckens". Wieder tritt ein (jüdischer) Eremit -- ein Freund des Abtes -- auf, wie der Pilger aus dem ersten Teil eine Anspielung auf die Figur des "ewigen Juden" Ahasverus, die auch im dritten Teil auftaucht.
"Die Mönche warteten. Es war für sie ohne jede Bedeutung, dass das Wissen, welches sie bewahrten, nutzlos war, dass jetzt das meiste davon nicht eigentlich Wissen genannt werden konnte und in gewissen Fällen den Mönchen genauso rätselhaft war, wie es einem unwissenden jungen Wilden hinter den Bergen sein musste. Dieses Wissen hatte seinen Inhalt verloren, weil sein materieller Gegenstand längst nicht mehr existierte..."
Fiat Voluntas tua
1700 Jahre nach der großen Vereinfachung hat die Welt wieder denselben (oder gar noch fortgeschritteneren) Zustand erreicht, den sie zuvor hatte. Der Orden des heiligen Leibowitz existiert noch immer. Seit über 50 Jahren herrscht schon ein kalter Krieg zwischen den Großmächten, der droht "heiß" zu werden. In der Dämmerung eines erneuten Atomkrieges schicken sich die Ordensbrüder an, das einst verlorene Wissen der Menschheit für die große Reise zu den Sternen zu sichern, wo sie ihre heilige Mission des Bewahrens geflissentlich fortsetzen werden...

Alleine schon die Idee, die mittelalterliche Klostertradition der Bewahrung des antiken Wissensschatzes, der Klosterbibliotheken und Skriptorien, in einer post-apokalyptischen Zeit fortzusetzen, hatte mich schon lange auf dieses 1960 erschienene Buch neugierig gemacht. Schade nur, dass auch die Neuauflage schon wieder seit einigen Jahren vergriffen ist, so dass man auf das Antiquariat oder die englische Originalausgabe angewiesen ist. Aber das Warten hat sich gelohnt. Walter N. Miller hat ein solides Stück Literatur geschaffen, das in der kurzlebigen Welt der Science Fiction noch lange seinen Platz behaupten wird. Seine Figuren sind von feiner Hand herausgearbeitet und haben ihre Ecken und Kanten, so dass sie nicht so leicht in eines der vielen Genre-eigenen Schemata hineinpassen. Die episodische Sicht auf diese Zivilisationsgeschichte verdankt ihren Ursprung der Tatsache, dass die einzelnen Episoden zunächst als Kurzgeschichten veröffentlicht worden waren und von Miller anschließend überarbeitet und in einem gemeinsamen Rahmen zusammengefasst wurden. Auch nach gut 50 Jahren hat das Buch nichts von seiner ständig spürbaren Beklommenheit verloren und beeindruckt nachhaltig, insbesondere die letzte Episode, in der sich eine geradezu körperlich spürbare Beklemmung breitmacht, wenn die ersten Opfer der radioaktiven Katastrophe und die Arbeit des regierungseigenen Euthanasiedienstes geschildert werden.
"Das Angesicht Luzifers erhob sich in pilzförmiger Hässlichkeit über der Wolkenbank, wuchs langsam in die Höhe wie ein Titan, der nach Jahren der Einkerkerung in den Tiefen der Erde nun auf die Füße klettert..."
Fazit: Ein Stück große Literatur, auch wenn das Genre nicht allen gefallen wird. Aber die Idee ist originell, die Thematik regt zum Nachdenken an und letztendlich blickt Miller auch ab und an mit einem lächelnden Auge auf seine Ordensbrüder. LESEN!

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