Freitag, 12. September 2008

Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts

Schon lange stand die bereits etwas angestaubte alte Ausgabe dieses Schullektüreklassikers in unserem Regal und wollte gelesen werden. Aber wie es eben immer so ist, mit ehemaliger Schullektüre -- auch wenn dieser Band in meiner Schulzeit an mir vorbeigegangen war -- man nähert sich dem 'Feind' doch stets mit einer gewissen Portion Respekt und Skepsis. Doch das sollte sich als vollkommen unbegründet erweisen....
Joseph von Eichendorff zählt zu den deutschen Romantikern. In den ersten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich diese Zeitströmung zu voller Blüte und zeichnete sich vor allen Dingen durch die Betonung von Phantasie und Gefühl -- ganz im Gegensatz zur rationalen Klassik -- und durch die Betrachtung der geheimnisvollen Kräfte und der Schönheit der Natur aus. Irgendwie also eine viel zu früh gekommene FlowerPower-Esoterik-Generation, die sich als Gegenbewegung zur immer weiter fortschreitenden Epoche der Industrialisierung abgrenzte.

In 'Aus dem Leben eines Taugenichts' erzählt und Eichendorff die Geschichte eines jungen Mannes, der von seinem Vater, dem Müller, kurzerhand von zuhause 'rausgeschmissen' wird (er sei ein 'Taugenichts' und solle doch mal draußen in der Welt' versuchen, sein Brot zu erwerben...). Und so gibt sich unser junger Held - die Geschichte wird in der ICH-Perspektive erzählt - kurzerhand auf Wanderschaft. Seine Geige, seine Musikalität und sein angenehmes Äußeres verhelfen ihm dabei immer wieder in Verbindung mit zahlreichen glücklichen Fügungen des Schicksals, unverhofftermaßen ein Auskommen zu finden. So wird er zuerst Gärtner in einem Schloß beschäftigt und kurz darauf zum Zolleinnehmer befördert, eine Profession, die ihm ohne viel zu arbeiten einen sicheren Lebensunterhalt bescheren könnte. Er verliebt sich unglücklich in die schöne Gräfin des Schlosses, ist tief betrübt, da er sie bereits vergeben wähnt, und macht sich kurzentschlossen auf in Richtung Italien (Seit Goethe ja das Land, 'in dem die Zitronen blühn' und des Deutschen liebstes Urlaubsland). Auf seinem Weg macht er die Bekanntschaft mit zwei Räubern, die sich dann aber doch als Maler herausstellen, die er auf ihrer Reise nach Italien begleiten wird. Und hier beginnen die Verwirrungen und Verwicklungen....

Seine Abenteuer führen ihn auf ein einsames Schloß, in dem er von den Angestellten zuerst verwöhnt wird, aber bald um sein Leben bangt, nach Rom, wo er versucht, seine Angebetete zu finden und schließlich wieder zurück in das heimatliche Schloss, wo sich all die Verwirrungen und seltsamen Begebenheiten schlussendlich aufklären sollen. Der Text ist angereichert mit Gedichten und Volksliedern (Wem Gott will rechte Gunst erweisen...), die stets die Stimmung und Gefühlslage, in der sich unser Held befindet, wiedergeben. Ganz besonders hat mich die alte Sprache fasziniert ('embrassieren', 'vazieren', 'Kamisol; und viel andere aus dem Französischen stammende Wörter, die man heute nicht mehr im Deutschen findet). Interessant auch, dass kein 'moralischer Zeigefinger' gehoben wird, und der Taugenichts (alleine der Name ist ja bereits eine Art Wertung...) am Ende sogar noch belohnt werden soll. Dennoch. Es lohnt sich, das dünne Bändchen einmal (wieder) zur Hand zu nehmen und sich darin zu verlieren.

In vielerlei Hinsicht hat mich der 'Taugenichts' an einige literarischen Nachfolger erinnert. So gerät er immer wieder in Situationen, die ihm ja eigentlich ein 'glückliches Auskommen' ermöglichen würden, lässt es aber gar nicht so weit kommen, sondern macht sich wieder fort auf die Wanderschaft. Ein regelrechtes 'Road-Movie'. Den gleichen Eindruck hatte ich auch bei der Lektüre von Salingers 'Der Fänger im Roggen', auch wenn hier die Grundstimmung lange nicht so positiv war. Salingers Held hat ebenfalls keine rechte Ahnung, was er mit sich anfangen soll, es bieten sich im tausend Gelegenheiten, die allesamt in einer Art 'was wäre wenn...' angedacht und doch nicht eingeschlagen werden.

Fazit: Ein phänomenales kleines Bändchen, das einen kleinen Blick in die Stimmung und Geisteswelt eine Epoche gestattet, die uns heute wieder allzu fern erscheint.

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